Die DGAF

Deutsche Gesellschaft für Arterioskleroseforschung – Wozu?

M. Hanefeld und H. Hahmann


Medizinische Disziplinen brauchen ihre Fachgesellschaften. Die hinsichtlich Mitgliederzahl und Kongressaktivität sprunghafte Entwicklung beispielsweise der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ist vielen bestens vertraut. Was aber leisten vor einem solchen Hintergrund kleinere, fachübergreifende quervernetzende Gesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Arterioskleroseforschung (DGAF)?

Sicherlich ist nicht beabsichtigt, einen Facharzt für Arterioskleroseerkrankungen zu etablieren. Die Gründer der DGAF, der Internist Werner H. Hauss, Münster, und der Physiologe Eberhard Betz, Tübingen, hatten im Sinn, den Sachverstand theoretischer Disziplinen wie pathologische Anatomie, Physiologie, Biochemie und inzwischen Molekularbiologie und Zellbiologie mit der Problemstellung der Kliniker aus den Gebieten der Kardiologie, Angiologie, Haemostasiologie, Labormedizin und durchaus auch der Neurologen zusammenzubringen. Alle diese Fachgebiete sind in Teilbereichen mit einer der wichtigsten, wenn nicht der bedeutendsten Krankheitsgruppe industrialisierter Länder befasst, der Arteriosklerose. Da sich das Interesse der Herz- und Kreislaufforscher bis dahin neben den klinisch – therapeutischen Ansatzpunkten mehr auf die pathophysiologischen Grundlagen fokusierte, wurde durch die Gründung der DGAF die Lücke hin zur kausalen Pathogenese und ihren präventiven Implikationen geschlossen.


Unter diesen Voraussetzungen geschah das Erstaunliche, dass eine junge, non-hierarchisch strukturierte Gesellschaft, die mit sehr speziellen Themen befasst ist, heute eine nicht unbeträchtliche wissenschaftliche Bedeutung erlangt hat. Dies wird unter anderem daran erkennbar, dass sich unter seminaristischen Bedingungen im Gästehaus der Universität Tübingen in Blaubeuren eine jährliche Tagung etabliert hat, auf der von etwa 250 Teilnehmern 100 bis 130 Originalbeiträge auf hohem Niveau präsentiert werden. Diese Publikationsaktivität zeigt eine hohe forscherische Potenz der Gesellschaft, die im doppelten Sinn jung ist: ihre Mitglieder sind zu 80 % unter 40 Jahren, ihr kalendarisches Alter beträgt gerade zwölf anni. In dieser kurzen Zeit hat sie wesentlich dazu beigetragen, den Rückstand der experimentellen Arterioskleroseforschung in Deutschland gegenüber den USA, England u. a. aufzuholen und sich mit zahlreichen innovativen Beiträgen an den alten Glanz anzunähern, soweit dies unter den veränderten Bedingungen eines rapide wachsenden Forschungsgebietes heute möglich ist. Vieles von dem, was an experimentellem know how und neuen Erkenntnissen auf diesem Gebiet erarbeitet wurde, ist – zum großen Teil auch in Personalunion – in die Arbeit großer Fachgesellschaften eingeflossen et vice versa.


Die DGAF bildet gleichzeitig die deutsche Sektion der International Atherosclerosis Society (IAS), zu deren Aktivitäten die Entwicklung von Leitlinien zur kardiovaskulären Prävention gehören. Erschwert wird diese Aufgabe durch das Nebeneinanderexistieren mehrerer aktueller internationaler Guidelines und durch die – weltweit betrachtet – unterschiedlichen regionalen Prioritäten. Für die nationalen Sektionen der IAS besteht daher die Aufgabe, an die regionalen Bedürfnisse adaptierte Guidelines zu entwickeln. Dies darf aber nicht darin münden, die bereits lange Liste der in Deutschland kursierenden Leitlinien zu erweitern. Umsetzung von Präventionszielen kann nur durch ein weitestmögliches Zusammenführen und Aktualisieren der Empfehlungen aller nationalen Gesellschaften zur kardiovaskulären Prävention gefördert werden. Daran wird die DGAF in Wahrnehmung des Auftrags der IAS mitwirken.


Auch an dieser Stelle lässt sich die Sinnhaftigkeit einer Gesellschaft belegen, die sich die Bekämpfung von Arteriosklerosekrankheiten auf die Fahnen geschrieben hat: Der aus allen Richtungen exponentiell anwachsende Kenntnisstand zur Atherogenese und den Erscheinungsformen der Erkrankungen ist schwer zu überschauen, noch schwerer zu interpretieren und anscheinend kaum mehr in eine praktische Therapie umzusetzen, sei es aus gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten oder aufgrund fehlenden Konsenses. Allzu häufig unterbleibt heute unter diesem Vorwand trotz hoher Spezifität und beträchtlichem ökonomischen Aufwand unseres Gesundheitssystems die auf sicherem Kenntnisstand beruhende medikamentöse Sekundärprophylaxe der koronaren Herzkrankheit und anderer kardiovaskulärer Arteriosklerosekrankheiten.


Den Stand der Arterioskleroseforschung im interdisziplinären Ansatz an den Kliniker zu vermitteln, zwischen noch experimentellen Therapieansätzen einerseits und evidenzbasierten therapeutischen Pflichten andererseits unterscheiden zu helfen und somit die Kluft zwischen Kenntnisstand und praktischer Therapie zu überwinden, wird eine wichtige Zukunftsaufgabe sein, zu der die Deutsche Gesellschaft für Arterioskleroseforschung beitragen kann.

(Stand 2001)

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